WiYou.de - Ausgabe 1/2016 - page 9

Zum Ausschneiden und Abheften in deinem Berufswahlpass.
Mann darf keine Berührungsängste haben
Nach einer abgeschlossenen Ausbildung noch einmal in einer ganz anderen
Branche von vorn anzufangen, ist kein leichter Schritt.
Alexander hat ihn
trotzdem gewagt. „Industriemechaniker war einfach doch nicht das Richtige
für mich, ich wollte da raus und was anderes machen“, erklärt er. „Ich habe
zur Orientierung ein Praktikum bei der AWO gemacht und mich dann für eine
Ausbildung zum Altenpfleger entschieden.“
Als Mann in der Pflege – funktioniert das? Die Frage stellte sich Alexander
anfangs genauso wie auch seine Ausbilder und Kollegen.
„Die Eingewöh­
nungszeit war schon nicht so einfach, aber wenn man ein gutes Team hat,
dann passt das schon. Am Ende war das Schwierigste für mich, mich in den
verschiedenen Wohnbereichen – bei uns ist die Einrichtung je nach Schwere
der Pflegebedürftigkeit in Wohnbereiche aufgeteilt – zurechtzufinden und alle
Leute kennenzulernen.“ Mit den Bewohnern und Patienten hatte Alexander
von Anfang an keine Probleme. „Die meisten freuen sich, wenn da auch mal
ein Mann in der Tür steht und für etwas Abwechslung sorgt. Man darf nur kei­
ne Berührungsängste haben.“ Ein wichtiger Aspekt in einem Beruf, in dem
man den Menschen sehr nah kommt. Einen Erwachsenen zu waschen oder zu
wickeln, kann sich nicht jeder vorstellen.
Alexanders Aufgaben sind die morgendliche Grundversorgung, die Mobi­
lisierung der Bewohner, dafür zu sorgen, dass sie genug essen und trinken,
aber auch Behandlungspflege und ärztliche Versorgung.
Das heißt Medi­
kamente verabreichen, die ärztlich verordnet wurden, Verbände wechseln,
Patientenberichte schreiben und die Kommunikation mit den Ärzten. Die ge­
nauen Aufgaben hängen von dem Bereich ab, in dem er eingesetzt ist. „Man­
chen hilft man nur beim Aufstehen, andere brauchen bei fast allen Aktivitäten
des täglichen Lebens Unterstützung. Mir macht meine Arbeit sehr viel Spaß,
aber man darf nicht vergessen, dass die Menschen hier auf ihrem letzten
Lebensabschnitt sind und das Sterben dazugehört. Das ist nicht immer einfach
und man muss lernen, es nicht zu nah an sich ranzulassen.“ Unterstützung da­
bei bekommt Alexander nicht nur von seinen Kollegen, sondern auch in der
Berufsschule, wo es ein extra Lernfeld zum Umgang mit Krisensituationen gibt.
„Da geht es zu Beispiel auch um Gewalt und Sexualität in der Pflege. Die
Theorie insgesamt ist das, was ich an diesem Beruf anfangs unterschätzt habe.
Anatomie, Pflege und Krankheiten – man muss wirklich sehr viel lernen, kriegt
das aber gut hin, wenn man interessiert ist und immer dabei bleibt.“ Bei der
praktischen Arbeit kommt es vor allem auf Einfühlungsvermögen, Team­
fähigkeit, Offenheit und Freundlichkeit an – auch wenn man selbst mal einen
nicht so guten Tag hat.“ Altenpfleger arbeiten auch nachts, an Wochenenden
und Feiertagen, für Alexander ist das in Ordnung. „Insgesamt ist das auch nur
eine 40­Stunden­Woche, nur eben ein bisschen anders verteilt.“
Alexander ist jetzt im dritten Lehrjahr, in ein paar Monaten wird er seine
Prüfung machen.
„Der Berufswechsel war genau das Richtige für mich und
ich möchte auf jeden Fall weiter als Altenpfleger arbeiten. Allen, die sich auch
für diesen Beruf interessieren, rate ich: Guckt es euch an, es ist viel mehr als
Waschen und Po abwischen.“ (mü)
Aufgaben
Altenpfleger pflegen, betreuen und beraten hilfs­
bedürftige ältere Menschen.
Dauer
3 Jahre
Voraussetzungen
Einfühlungsvermögen, Geduld, psychische Belast­
barkeit, Konfliktfähigkeit, Freude an der Arbeit mit
und für Menschen, gute Kommunikationsfähigkeit
und hohes Verantwortungsbewusstsein
Chancen
Altenpfleger arbeiten in Altenwohn­ und
Pflegeheimen, für ambulante Pflege­
dienste oder in Krankenhäusern und
Reha­Kliniken. Weiterbildungen sind zum
Beispiel im Bereich Wohnbereichsleitung
und Pflegedienstleitungen möglich.
Altenpfleger
(m/w)
WiYou . Wirtschaft und Du . Ausgabe 1­2016
Foto: Paritätische
Titel
9
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Der klassische Altenpflege­Schüler ist männlich, Anfang zwanzig und hat eine Ausbildung zum Industriemechaniker Produktionstechnik in der Tasche.
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Okay, ganz so klassisch ist das nicht, aber für den 22­jährigen Alexander spielt das keine Rolle. Genauso wenig wie die Tatsache, dass er als Mann
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in der Pflege noch immer eher die Ausnahme – oder schöner: der Hahn im Korb – ist. Darüber freuen sich übrigens auch die Bewohner und Patienten
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im Seniorenwohnpark in Schlotheim.
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